L–147 wurde 1925 bei von Hacht in Hamburg gebaut. Der Auftraggeber und erster Eigner war Konsul R. Josef, VSaW. Die beste Platzierung, die das Boot in dieser Zeit erreichte, war der 2. Platz bei der Wettfahrt im September 1926 des Brandenburgischen Yacht Clubs.
“Die gute führende Position, mit einem Abstand, der zeitlich etwa 9 Minuten an der letzten Boje Betrug, wurde ihm schließlich von “Elektra” genommen, so dass “Pipapo” als zweiter Preisträger durch die Ziellinie ging. Seine immerhin recht gute Leistung hatte als Zuschauer auch ein Segelkanu herbeigelockt, das sich nicht versagen konnte, dicht vor dem Ziel eine innige Bekanntschaft mit dem Rennboot zu machen. Die Folge davon war eine Berührung und ein Kentern des Kanus, um dessen Seelenheil sich nun “Pipapo bemühen musste. Die leichte Briese schob aber den mit Rettungsarbeiten beschäftigten 30er durch die Ziellinie, so dass am Resultat der Wettfahrt keine Änderung hervorgerufen wurde.” (Aus der Yacht Nr. 39/ 1926, Seite 6)
Danach verlieren sich die Spuren vor dem 2. Weltkrieg im Sande.
Aufgetaucht, im wahrsten Sinne des Wortes, ist das Boot erst wieder 1945. In diesem Jahr wurde das Boot neben einigen anderen in Berlin Grünau beim Berliner Yachtclub geborgen, nachdem es die Kriegsjahre oder zumindestens die letzten Jahre zum Schutz versenkt worden war.
Aus der Zeit zwischen 1952 und 1955 stammt das nachfolgende Foto, das mir freundlicher weise vom damaligen Eigner, Herrn Hanson, zur Verfügung gestellt wurde, auf dem noch der ursprüngliche Mast, Maconitakelung, zu sehen ist.
1966 kam es in die Hände von Herrn Borries, der es bis 1975 erfolgreich segelte:
“Mit dem Boot habe ich viele Regatten erfolgreich bestritten. Beiliegend ein Zeitungsbild aus dem Jahr 1973 von der 20–Stundenwettfahrt auf dem Müggelsee. Wenn ich mich recht erinnere war dies die Wettfahrt, in der wir bei strammen, auch in der Nacht durchstehenden Winden, 25 Runden mit je 8,5 km schafften. Durch den hohen Wellengang waren wir bei dieser Regatta mehr unter als über Wasser. Meine Vorschoter behaupten heute, dass sie sich bei dieser Regatta ihr Rheuma geholt hätten.”
Nach weiteren Eignerwechseln bis 1977 verliert sich wieder die Spur im Dunkeln. 1992 kommt mein Einsatz. In dem Anzeigenblatt Bootsbörse wurde in diesem Jahr eine 8.5 KR Yacht annonciert. Liegeplatz Kirchdorf auf Poel. Das zugefaxte kaum zu entziffernde Bild ließ lang gestreckte Linien erkennen, einen ungeteilten Lateralplan und erinnerte mich an einen abgeschnittenen Schärenkreuzer.
Genau zu dieser Zeit, als ich in Kontakt mit dem Verkäufer trat, war meine Frau Annegret zu Besuch bei ihrer Tante, ca 40 Kilometer entfernt, und ich bat sie, sich das Schiff doch einmal anzuschauen und ein paar Fotos zu machen. Sie kam ganz begeistert mit einigen Fotos zurück. Nachdem wir uns auch noch mit dem Verkäufer über den Preis geeinigt hatten, blieb nur noch das Problem des Transportes, da ein Hänger nicht zur Verfügung stand. Doch auch dieses Hindernis konnte überwunden werden, und so kam im September “Marlin” wie sie von uns getauft wurde, zu uns an den Niederrhein.
Zu dieser Zeit war sie noch mit einem Bug– und Heckkorb versehen. Zum „Lieferumfang” gehörten neben dem von Klaus Borries aus einer Gerüststange gehobeltem Mast noch ein Alumast, aus 4Kant– Meterstücken zusammengeschweißt, und zwei russische Bootsmotoren. Was ich da eigentlich gekauft hatte wusste ich zu dieser Zeit immer noch nicht. Ich war zunächst damit beschäftigt das D und das R aus dem Segel zu entfernen, und die ersten Schläge auf meinem Heimatrevier, dem Diersforter Waldsee zu machen. Und ich war begeistert. Das Ding, was immer es war, es lief. In der nächsten Saison wurde zunächst nur gesegelt und das Schiff auf seine Eigenschaften untersucht. Nachdem es sich zum einen als sehr sensibel auf Pinnenbefehle und trotzdem als recht gutmütig herausgestellt hatte, beschlossen meine Frau und ich, sowohl Zeit als auch Geld in das Boot zu investieren. In einer ersten Renovierungsphase wurde der Rumpf abgezogen um den Zustand der Planken besser beurteilen zu können und das stehende Gut erneuert. Die schöne Farbe des Holzes verleitete mich dazu das Schiff natur zu lackieren, wofür es aber eigentlich nicht gebaut war, da die Nietlöcher zugekittet und nicht mit Holz zugepfropft waren. Diese Arbeit übernahm die Bootswerft Paulsen am Baldeneysee in Essen. Ich selber habe mich mit der Hilfe meines Vaters um die Plicht und den Kajütaufbau gekümmert. Dabei wurden neue Backskisten und Sitzbänke eingebaut. Mit der Zeit trat ich dann in Kontakt mit dem Freundeskreis Klassische Yachten , Wilfried Horns, Robert Vollmer, Christoph Raddatz. Ich erfuhr über das Segelzeichen um welche Bootsklasse es sich bei meiner Marlin eigentlich handelte und erfuhr in alten Ausgaben der Yacht etwas über die Geschichte der 30er Nationalen Kreuzer. Ich kam in Kontakt zu Markus Daniel, dessen Rigg ich kaufte, und zu Jörn Niederländer, der die zweite, diesmal umfassende Restaurierung des Rumpfes vornahm.
Diese Restaurierungsarbeiten umfassten:
Entfernen des alte GFK– Decksbelages und Aufbringen eines neuen Stabdecks mit Mahagonifisch und Leibungen. Nochmaliges Abziehen des Rumpfes und Austausch des oberen Plankenganges, da dieser unter der dicken Scheuerleiste, die auch zu Befestigung des GFK Überhangs diente, zum Teil defekt geworden war. Neues Totholz und eine neues Ruderblatt. Ein neuer Ruderkoker, neue Luken und einen neuen Spiegel. Der Spiegel entsprach nicht mehr dem Foto von 1955. Ich nehme an, das der alte rott geworden ist und einfach abgesägt wurde, wodurch sich ein einfallender Spiegel ergeben hatte. Ich habe versucht die Form des Schiffes nach dem alten Foto mit einem leicht positiven Yachtheck zu rekonstruieren. Leider gibt es durch den Brand Hamburgs, bei dem im letzten Krieg auch die von Hacht’sche Werft vollkommen zerstört wurde, keinerlei Orginalpläne und Unterlagen mehr. Zum Abschluß dieser Restaurierung, die jetzt vier Jahre zurückliegt, wurde Marlin auch wieder weiß lackiert.
Als Besonderheit für einen 30er Nationalen kann man die kleine Kajüte betrachten, die in den 70ern von Klaus Bories aufgebaut wurde. Es gibt nur noch ein Schiff, die Bodman, die ebenfalls über eine Schlupfkajüte verfügt. Ansonsten waren die 30er eine offene Kielbootklasse. Klassenvorschriften des D.S.Vb. zufolge ist der Kajütaufbau aber klassenkonform, sehr praktisch wenn man wie ich eine kleine Familie hat und eignet sich, wie schon 1926 von Herrn Harms, Konstrukteur und Eigner von Twiel bemerkt, hervorragend als Wellenbrecher, zum Schutz vor Vollaufen.
(Anmerkung des Webmasters: zwischenzeitlich sind weitere L–Boote mit Kajüte bekannt geworden, vornehmlich am Thunersee. Eines der Thunersee–Boote, die L–181, ist jetzt am Mondsee in Österreich.)