Zwei “Siebziger” vom Bodensee
Marthe Schildknecht und ihre ehemalige “Bodman”
Geburtstage feiern, noch dazu einen recht runden, konnten im Laufe dieses Jahres eine Dame, die es zu jeder Zeit verstanden hat, das richtig erscheinende Leben zu leben, und ein Schiff, das sie Jahrzehnte dabei begleitete. Die Rede ist von Martha Schildknecht und ihrem ehemaligen 30qm–Binnenkieler “Bodman”.
Nicht nur den Kollegen vom Yachtclub Meersburg, in dem sie Jahre als Schriftführerin und Jugendwart tätig war, waren Martha Schildknecht und ihr einst auf der Naglo–Werft.in Zeuthen entstandener Oldie ein vertrauter Anblick. Wenn es heißt “war” dann nicht etwa weil die Dame die Segeleei aufgegeben hätte, sondern weil sie sich schweren Herzens zu der Erkenntnis durchgerungen hat, daß ihr “Bodman” kräftig übertakelt, niederbordig und recht offen, nicht unbedingt das ideale Schiff für eine Siebzigjährige ist, die noch dazu einen der Hauptgenüsse des Wassersports in der Einhandsegelei sieht.
Daß diese Sorge nicht ganz unbegründet ist, beweist die Tatsache, daß drei Schwesterschiffe des Dreissigers auf dem Grund des Bodensees ruhen. Einer dieser Unfälle geriet 1934 zur Tragödie, als sich versehentlich ein Karabiner der Fock ins Vorstag klinkte, das Segel als Balon nach oben stieg, die Yacht einen Kopfstand machte und drei Besatzungsmitglieder mit in die Tiefen riß.
Ganz ohne Schrecken kam auch Martha Schildknecht nicht über ihre “Bodman–Jahre”. Da mochte ein mitsegelnder Freund solange nicht an dröhende Böen glauben, bis das 1,80 m breite Schiff plötzlich flach auf dem Wasser lag. Er muste seinen Irrtum mit einem langwierigen Einsatz mit der Pütz büßen. Ein ähnliches Mißgeschick passierte, in Sichtweite des heimatlichen Ufers, als die Großschot klemmte und die Clubcameraden schon in den Ruderbooten saßen und die vermeintlich Schiffbrüchigen retten wollten. Doch die “Bodman” hat auch ihre guten Seiten. Meersburgs Regattaleiter Stegmaierweiß ein Lied davon zu singen, wenn er seine “startwütigen” Regattierer zurückhalten musste, die angesichts der flott vorbeisegelnden “Bodman”, nicht an zu wenig Wind glauben wollten. Auch sonst hielt sich das Schiff gut, gerade drei Sätze Segel verschliss es in den 33 Schildknet’schen Jahren. Die Segelmacher der Gegenwart und Verfechter des Kunststoffzeitalters mögen weghören, keine der Tücher standen so gut wie die alten Ladewick’schen Bauwollsegel.
Auch das übrige Material hielt sich gut, Bootsbauer Okle in Uhldingen hatte wenig auszubessern, zwei Planken wurden mal ersetzt, bei der sonstigen Pflege, bis hin zum Abschleifen, packte die gelernte Buchhändlerin selber an. Dem früheren Schneckenreff trauert sie etwas nach, die “Bädselei” ist schwieriger.
Man kann sich auch heute noch gut vorstellen, für welches Aufsehen das ehemalige Fräulein Benz, die “Tochter vom Becher”, im freidlichen Merrsbug einst sorgte, wenn sie in Hosen hinunter zum heutigen Bundesbahnhafenging, das damals einzige dort liegende Segelschiff klarmachte und unter Segeln den Hafen verließ. 1933 hatte sie einen 50er Seefahrtskreuzer von ihrem Vater geschenkt bekommen. Ganz leicht war es allerdings nicht gewesen, es gehört ein volles Viertel Jahr “Bearbeitung” dazu, bis der Becherwirt den ungewöhnlichen Wunsch akzeptierte.
Es folgten schöne Segel–, und wenige Ehejahre, ihr Mann fiel 1944, der Krieg ging vorbei, man fing langsam wieder an zu segeln, 1949 wurde der Meersburger Yachtclub gegründet, ein Jahr später kam die erwähnte “Bodman” ins Haus. DM 2500.– kostete das gute Stück, damals noch mit Peitschnmast. Ein “Großeinsatz” der Radolfzeller Bootswerft Marin gab ihr die heutige Gestalt und Jonny Rasmussen höchstpersönlich kümmerte sich um optimale Beschläge.
30qm, 8,05 m Länge, 1,1 m Tiefgang, 1,1 t Verdrängung, das sind nüchterne Zahlen für ein, so die ehemalige Eignerin, traumhaftes Bodensee–Leichtwetter–Schiff.
Man besuchte die Bodenseewoche, zeigte sich zu den Herbstregatten oder in Bodman, freute sich an gesellschaftlichen Ereignissen. Entsprechendes Wetter vorausgesetzt, wurde die “Bodman” eigentlich jeden Tag bewegt, auch wenn die Zeiten sich änderten, es an den Wochenenden enger wurde auf dem See, Seemanschaft teilweise zu einem Fremdwort verkam und unwissende Motorbootpiloten sich am “Segler ärgern” versuchten. Trotz aller Einhandsegelei, dem Alleinsein mit der Natur, zum Einzelgänger entwickelt sich die Ruheständlerin nicht, neben Abwechslung in Form von Literatur, aber auch Tennis und Alpinskilauf, wurden andere Schiffe bewegt. Die Weißhaar’sche Sechser zum Beispiel oder der 75er aus dem Hause Rothmund mit Hotelgästen an Bord. (Heute ist es vorzugsweise das eigene Frauscher H–Boot, Segelnummer 706, auf dem sie segelt). Viel Zuneigung durfen auch die Clubpiraten erfahren, nicht nur die Neffen Dago und Michael Benz kamen so zur Segelei, auch die Tochter, ebenfalls Buchhändlerin, wurde der Segelbazillus eingeimpft.
Die “Bodman” wurde allerdings vorenthalten, aus den erwähnten “gefährlichen” Gründen. In gute Hände sollte das Schiff allerdings kommen, das war die Voraussetzung für den Verkauf. So ist das Schiff nun gewissermaßen im Heimathafen gelandet, es liegt in Bodman, und es gehört einer Frau, eine Stuttgarterin will die Tradition fortsetzen die anno 1914 als Regattapreis des Grafen von Bodamn an den Konstanzer Yachtclub begann. (vd)